Das neue Spiel: Plattformen als digitales Dilemma

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Das neue Spiel: Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust - link

von Michael Seemann - 256 Seiten - Orange-press

 

Wir werden in Zukunft alles über Plattformen regeln. Facebook und Google seien lediglich frühe Erscheinungsformen eines sich gerade entfaltenden Paradigmas: Plattformen würden der wichtigste, zentrale Machtfaktor der Zukunft sein. Damit sind wir mit Michael Seemann und seinem Buch "Das Neue Spiel" schon mitten im Dilemma (vgl. S. 232f). Denn einerseits wird derzeit die gesamte Kultur samt aller Dienstleistungen zur Plattform (129), andererseits wird auch erfolgreich Macht in den Plattformen installiert. Zumeist sogar auf internationalem Terrain (218).

Für die Politik sind Plattformen fatal. Sie nehmen den gesellschaftlichen Entscheidern die Befugnisse aus der Hand, denn die Regeln des Spiels bestimmen die Plattformen selbst und das Login ist die entscheidende Garantie, gut Geld machen zu können (129). Ohnehin haben uns Plattformen direkter im Griff als der Staat. Facebook gilt geradezu als Ausweis im Internet, die emotionale Bindung dorthin vermag größer zu sein als zum Staat (204f).

Für die Bürger sind die Plattformen ebenfalls fatal, denn die Nutzer sind deren Reglements (vordem: gesellschaftliche Übereinkünfte) und Manipulationen ausgeliefert (147ff). Vielen voran scheinen Facebook und Google die Timelines und Suchabfragen gezielt zu fälschen (225). Wird Politik für uns alle, wie so vieles Andere global, ohne dass man daheim mehr viel ausrichten kann!? TTIP grüßt. Das alles ist ein Kontrollverlust - für Institutionen, für Nutzer, für alle.

Dabei kann erst der Kontrollverlust Gestaltung und Politik bewirken. Kontrollverlust im Sinne von Michael Seemann meint: Das Weltwissen wurde gesammelt, nun können wir ob der Massen an Wissen nichts mehr wissen. Die Suche ist nun die entscheidende Tat. Seemann nennt Suchabfragen "Querys". Sie ordnen die Welt, das Wissen, die Tat und die Politik auf neue Weise. Verhalten und Interessen, selbst Grippewellen und Staus werden längst durch gigantische Stichwortabfragen, durch Ortung und andere Parameter erkannt (33f). Vor allem die Mächtigen durchsuchen die Welt. Doch alle können es tun. Und Antworten finden, die in Taten münden.

Die Querys sind die Change des mündigen Bürgers, die Welt zu gestalten, ohne ihre Komplexität zu reduzieren (188). Massenmedien müssen Komplexität reduzieren. Die Query hingegen (Beispiel: Hashtag) schafft es, sowohl die Wucht der Masse als auch die Individualität jeder einzelnen Erfahrung abzubilden (ebda). - Wenn freilich die Suchabfragen manipuliert werden, ist es mit der Freiheit auch schnell vorbei.

Kontrolle in Zeiten der Überwachung ist alles, doch erst der Kontrollverlust ist die Change: Die Kontrolle der Ordnung kippt aus den Händen der Sender nicht nur in jene der Geheimdienste, sondern auch in die Hände aller Abfrager, aller Suchender (59).  Alle Daten fliessen und es gilt, die in den Plattformen gefangenen Daten zu befreien und dem offenen Internet zuführen. Etablierte Institutionen und Parteien werden sich dagegen sträuben, denn das Alte wird sich immer für unersetzlich halten (159). Demgegenüber ist das neue Spiel aber das von allen.

Zumal: Der Datenschutz ist bankrott. Und mit ihm die Privatsphäre. Das muss man sich wohl eingestehen. Und es ist naiv und sogar gefährlich, zu glauben, der Staat würde die Bürger schützen wollen (163). Im Gegenteil: Dass die Staaten die Geheimdienste ihr Spiel treiben lassen, hat seinen Grund darin, dass sie in Zeiten des Kontrollverlusts das einzige Werkzeug des Staates sind, dem Internet gewachsen zu sein (216). Panik auf der Regierungsbank.

Den Staat zur offenen Plattform zu machen ist Seemanns zentrale Botschaft. Denn Datenkontrolle zwingt zur zentralisierten Kontrolle und schwächt die Zivigesellschaft (221). Die staatlichen Kontrollen der Infrastruktur sind für gesellschaftliche Teilhabe zu öffnen, denn der Staat ist der natürliche Gegner der Gesellschaft (217f). Das klingt krass, doch in Zeiten von Big Brother muss es wohl als erwiesen gelten.

Raus aus der Gefangenschaft! Dazu sei ermuntert: Alle sind bei Facebook und lassen sich gut gelaunt gängeln. Diese wie andere Plattformen hieße es zu verlassen, um im ganz normalen Internet, das es ja durchaus noch gibt, eine neue Offenheit zu leben und die Welt ordentlich anzupacken.

Tja. - Kommst mit?! - Die Reise ist paradox und spannend: Einerseits geben die Plattformen den Takt vor, andererseits sind die Bürger die Helden.

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Gebookdingst 2

Das größte Problem Deutschlands ist Deutschland

http://denktagebuch.de/2016/01/das-groesste-problem-deutschlands-ist-deutschland/

"... und berichtet immer weniger über das Ausland".

 

Nein, zwischen Schiiten und Sunniten gibt es keine „uralte Feindschaft“

https://krautreporter.de/1251--nein-zwischen-schiiten-und-sunniten-gibt-es-keine-uralte-feindschaft

Geschichte im politischen Missbrauch

 

Protest! Wie man die Mächtigen das Fürchten lehrt

http://www.kampagne20.de/verlosung-protest-wie-man-die-maechtigen-das-fuerchten-lehrt/

Kaufen und lesen

 

Droht mit Digitalisierung jedem zweiten Job das Aus?

http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article150856398/Droht-mit-Digitalisierung-jedem-zweiten-Job-das-Aus.html

Es grüßt TTIP

 

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Von Kacheln und Fliesen

Das paßt gar wunderbar zu meiner geliebten Sammlung Daily Joker - urbane Muster und Objekte:  In der Süddeutschen las ich grade "Alles gefliest" von Thomas Steinfeld (S. 53 - nicht online)

 

Früher wurden Metzgereien mit Kacheln verziert, nach dem Krieg zogen Kacheln und Fliesen ein in urbane Außenverkleidungen. Sie versprachen Sauberkeit, Anonymität und Sachlichkeit. "Eine der bizarrsten Moden, die es je im Bauwesen gegeben haben dürfte und die bald nach ihrem Vergehen monströs wirkte".

 

Demnächst erscheine der Band Bauformen des Gewissens - Über Fassaden deutscher Nachkriegsarchitektur von Markus Krajewski mit Fotografien von Christian Werner -  werd ich mir holen.

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Das Jahr 2016 findet nicht statt

1990 sorgte der kleine, bei Merve erschienene Band "Das Jahr 2000 findet nicht statt" des Mediensoziologen Jean Baudrillard für Aufsehen. - Habs nochmal durchgeblättert.

 

Mit den Gezeiten von Glasnost, Internet und Echtzeitmedien verpuffte Geschichte in ihrer körperlichen Wirkung und implodierte in der reinen Aktualität des Medialen (vgl. S. 13). Intellektuelle Strukturen verschwanden auch dank der Wissenschaft in Archiven (24) und der Westen wurde zur Deponie für Freiheit (30), in der als Simulation ihrer selbst alles in einer weltweiten entropischen Zirkulation zerschleudert wird (40f): Das Jahr 2000 wird nicht stattfinden, weil die Krümmung der Geschichte so sehr in die entgegengesetzte Richtung zurückgewendet sein wird, daß sie den Zeithorizont 2000 niemals überschreiten wird (37).

 

Der Intellekt des Westens also konnte die Jahrtausendwende nicht erreichen, da er das Recyclen von Geschichte und Aktualität als "Konsens-Epidemie" (6o) ohne Ausblick betrieb und den Aufschreibesystemen nichts Emergentes entlockte - zum Beispiel direkte politische Gestaltung. Wenn Baudrillard betont, "nie mehr werden wir wissen, was all die Dinge waren, bevor sie in ihrem vollendeten Modell aufgingen" (18) und die derzeitigen Generationen das Modelldreieck von Demokratie, Konsum und Kommunikation nicht neu aufstellen, dann hat der Bürger keine Zukunft.

 

Das Modell ist heute im Internet genial perfektioniert. Die Machtstrukturen aber wurden quasi aus dem Mittelalter übernommen: Kontrolle und Profit laufen über Konzerne, wohingegen der Bürger (heute User) nur im Simulakrum seiner Freiheit glücklich werden kann. Die "Bereinigung unserer Gedächtnisse von allen negativen Ereignissen", das "Weißwaschen" (44) wird heute von Suchmaschinen und Tools erledigt.

 

Um also - leicht verspätet - im neuen Jahrtausend anzukommen, sei Baudrillards Ausweg empfohlen, die Abkürzung zu nehmen und das Ende der Geschichte zu überspringen, anstatt weiterhin den Leichnam der Geschichte (z.b. durch Datenerfassung) zu obduzieren (45f). Soll dies nun aber tatsächlich als emergenter Schritt mit neuartigen gesellschaftlichen Strukturen geschehen, kann dies nur unabhängig von Macht und Staat und jenseits von Kontrolle und Tools durch mit sich selbst online verhandelnde Bürgern erfolgen.

 

Das ist nicht neu, aber wesentlich.

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Gebookdingst

Die Entdeckung! - Sehr sympatisch. Möge es Facebook Konkurrenz machen

 

Facebooks psychische Störung

 

Vielleicht ja nur eine Spiegel-Ente ... ne, war so


Vegan-Gefahr

https://www.youtube.com/watch?v=-lU9VP8_Baw

Botanik Panik - 7 min - Kategorie schräg und lustig

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Im Erledigungsdilemma

Vorab diese Irritation: Banken schaffen es angeblich nicht, Gesetzesregelungen nach unten zu den Ausführenden weiterzukommunizieren. blog.kpmg.de zufolge bleibt deshalb alles beim Alten. - Mal schauen, wie die Staaten weltweit das Paris-Protokoll umsetzten werden ...

 

Jedenfalls, ich selbst verspüre im Dilemma zwischen Möglichkeit und selbstauferlegtem Zwang ein vergleichbares Problem: Täglich schaffe ich nur einen Bruchteil dessen abzuarbeiten und zu checken, was ich mir vorgenommen habe (das Mögliche tendiert gen Unendlich). Bereits ein einziges nicht bewältigtes Arbeitsgebiet vermag ein schlechtes Gewissen zu erzeugen.

 

Die Lösung: Prokrastination. Ausblenden als rettender Anker.

 

Warum aber sollte es Institutionen anders gehen als mir!? Zumal sie überaus komplex gestrickt sind!?

 

Deshalb: Man kann z.B. die heute vorgeschlagene Sprach- und Integrationskurs-Pflicht für Flüchtlinge getrost unterschreiben ... mag auch durchaus eine gute Idee sein ... doch passieren wird sie vermutlich ohnehin nicht ... .  Also, unterschreibt! Das wurde zudem schon ein dutzend Mal unterschrieben!

 

Generell heißt das, dass sich die Wirklichkeit langsamer entwickelt als vorgeschrieben und erwünscht. Es scheint einen immensen Druck auf die Gesellschaft zu geben. In dieser Sache scheine ich mit der Gesellschaft mit ähnichen Sachverhalten in einem Boot zu sitzen.


Sei dies einfach mal festgehalten. - PS.: Meine Mutter ändert sich auch nie. Kannste vergessen.

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Kurz notiert: Netzwerk-Effekt

Der Begriff Netzwerk ist mir selten in negativem Zusammenhang begegnet. Soeben lese ich in Angelegenheit der Booking.com-Abmahnung davon: Wenn der Größte systemisch alles auf sich zieht, sei das ein Netzwerk-Effekt. Auch das Daten- und Vorliebensammeln gehöre dazu (Volkswirtwort). SZ S. 4 - Steht da (begrifflich) was Kopf!?

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Wiedergefunden: Ein Luhmann-Brief an meine Kusine

Sophie ist jetzt erwachsen, damals kam sie in die Schule: Ihrer Mama habe ich zum Geburtstag mit dem Band "Beobachtungen der Moderne" meine Luhmann-Leidenschaft in einem Brief mitgeteilt, wobei ich aus nahe liegenden Gründen auf Luhmanns Buch "Das Erziehungsystem der Gesellschaft" Bezug nahm.

 

Hier der Brief. - Ich finde auch heute: er ist eine leidenschaftliche Einführung in den Kosmos der Systemtheorie.

 

Hier ein Absatz:

Dass Schüler nicht trivial sind, wissen alle. Eltern, Lehrer, Politiker. Wer oder was es aber nicht weiß, ist das System, das Programm Schule. ´Wissen´ kann es auch nichts, denn es funktioniert ja nur. Und das scheint die Krux zu sein: dass es funktioniert und es so schwer ist, es auf ´Nicht-Trivialität´ umzuorientieren – auf Kreativität oder Phantasie oder Eigenwill z.B.. Es ist deshalb so schwierig, weil Lehrpläne und das System Schule und Zensur und all das ein in sich geschlossenes System ist, dem kommunikativ direkt nichts gesagt werden kann. Das erledigen z.B. Bundeskultusminister, die sicher alle nicht-triviale Kinder haben, aber ihrerseits mit Systemen kommunizieren, die von alledem noch viel weniger Ahnung haben.

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Verkehrte Welt: Tolle Kontrolle

Eine erhellende Wahrnehmung gefunden bei ctrl-verlust.net Die Webregierung, Teil I – Der Tod des Open Web Punkt 3: Privateinstellungen bei Plattformen wie Facebook bieten Kontrolle, wie es sie im Internet sonst so nicht gibt. Dort wird man zwar zu Impressumspflicht verdonnert, der Zugang aber ist offen, alles kursiert frei. Interessant und paradox nun ist, dass die Kontrollmöglichkeit bei Plattformen wie Facebook von Usern als eine Art Freiheit begrüßt zu werden scheint, obwohl die Plattformen intern sogar totale Kontrolle ausüben. Privateinstellungen als Privatheitsphärensimulation.

 

Eine Freundin meinte letzte Woche, sie sei nicht bei Twitter, weil dort alles publik sei. Einen kurzen Moment verspürte ich Angst und Schrecken, dennoch: das Versteckspiel bei Facebook ist nicht nur naiv, sondern auch internetvernichtend.

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Habe Luhmann gelesen und auf Wahrnehnung gesetzt

In der studentischen Zeit und danach wurde mir durch die Lektüre von Niklas Luhmann klar, wie sehr Wahrnehmung die Welt verändern kann: Die Systemtheorie als politische Kraft.

 

Dabei erging es mir wie einst als Kind beim Lesen von Michael Endes "Die unendliche Geschichte", wo die Figuren, Fabeln und Realitäten mich auch im Alltag beflügelten: Die Systemtheorie genoss ich als unmittelbar erlebbare Wahrnehmung inmitten sich von selbst ergebender Gesellschaftsanalyse. Wenn man sich darauf einließ, war der Alltag theoriefreier Erlebnisraum. Ich hatte gehofft, dieses Blickvermögen würde sich gesellschaftlich durchsetzen.

 

Wie so manch andere Geistesbewegung aber verblieb sie im Elfenbeinturm. Und ich, ehrlich gesagt, widmete mich (auch) dem Geldverdienen und prokrastinierte die verantwortungsvolle Praxis systemischen Handeln.

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Besser spät als nie

Hätte schon vor 10 Jahren anfangen können.

 

Grad steht zwar nichts Spezielles an, aber vielleicht wird ja was fließen.

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