Das Gegenteil von Sinn ist Unsinn. Beide Erkenntnisdimesionen sind nicht leicht zu belegen, wenn der Sachverhalt, über den gesprochen wird, kompliziert ist. Der Weg zu Weisheit und Vernunft kann steinig sein: zeitraubend und voll vertrackter Hindernisse.
Um komplexes Denken abzukürzen wird gerne das "ich habe recht" behauptet, um eine Position zu stärken, die zwar nicht in höhere Komplexitäten eingebettet ist, aber im "kleinen Argumentationsradius" plausibel klingt. Damit soll vor allem die eigene Macht betont werden: weiteres Nachdenken sei nicht vonnöten. Auf Weisheit und Vernunft zielende Reflektion dagegen würde in der Meinungsfindung den längeren Weg des "ich habe nicht recht" gehen, um dann aber eventuell doch für richtig befunden zu werden. Selbstkritik ist dem Erkenntnisgewinn der gewinnbringende wie rettende doppelte Boden.
Um Sinn von Unsinn zu unterscheiden bedarf es also einer intensiven Auseinandersetzung, und es bedarf Zeit. Beides scheint heute weder gefragt zu sein noch praktiziert zu werden.
Schluss mit lustig!
Die Begriffe Weisheit und Vernunft klingen so antiquiert wie Telefonzelle oder Kassettenrekorder. Sie entstammen einer vergangenen Zeit. Dem Denken läßt sich heute kaum mehr gerecht werden. - Hier Beispiele (sie können weiter ergänzt werden):
Die Debatten-Polizei
Erneut sei auf den erschütternden Text in Die Zeit - jetzt online - über das fatale Verhalten von Studenten in den USA verwiesen, die die Meinungsvielfalt unter dem Dogma eines krankhaften Minderheitenschutzes verbieten. Hieran anknüpfend der Hinweis von Slavoj Žižek in der NZZ (man suche die Stelle der Studentin in der USA): "es zählt nicht mehr das Argument und die Vernunft, sondern die Position des Aussagenden und also die Macht". - Nicht die Reflektion scheint erstrebenswert, sondern der Kleingeist des eigenen verkümmerten Horizonts.
Adorno go home!
Wer sich heute mit Adorno und der Frankfurter Schule beschäftig, kann als mutig bezeichnet werden. Schon dereinst waren seine Leser Helden, denn die Sachverhalte waren mehr als kompliziert. Was von der Frankfurter Schule übrig ist, skizziert Joachim Güntner in der NZZ. Nicht viel. Nun sei der Grund, weshalb dem Denken und sozialwissenschaftlichen Dimensionen oder gar der Philosophie kein Interesse mehr geschenkt wird der "Einfachheit halber" auf den simplen Grund heruntergebrochen: Es gibt dafür keine App! - Was nicht als App implementierbar ist (das Denken), existiert nicht.
Simulakrum simsalabim
Auf dem Gebiet der Erforschung der Künstlichen Intelligenz (KI) wird das menschliche Geistesvermögen mit großer Emphatie maschinellen Optionen geopfert. Es mag ja sein, dass Machinen bald tolle Gedichte schreiben, deren Ontologie aber wird fern jener des Menschen sein. Der menschliche Geist wird mit Geistern verscheucht.
Geisteswissenschaft?
Weder die Geisteswissenschaft noch die Sozialwissenschaften mischen das gesellschaftliche Leben auf: Erkenntnisdebatten erreichen nicht den öffentlichen Raum, sondern verbleiben in den Elfenbeintürmen von Universitäten, Zirkeln und Instituten. Das schlechte Gewissen der Geisteswissenschaften ist evident: Neuerdings benennen sie sich um in Kulturwissenschaft. Das klingt nicht nur weniger anspruchsvoll, das ist auch anspruchsloser. Kommt aber dem Anspruch des vereinfachenden Niedrigniveaus entgegen.