Slavoj Žižek - Der neue Klassenkampf

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Slavoj Žižek:  Der neue Klassenkampf - Die wahren Gründe für Flucht und Terror (Ullstein, 96 Seiten)

 

Die Flüchtlinge wollen die freie globale Warenzirkulation nun auch auf Menschen ausweiten. Für Slavoj Žižek sind die Flüchtlinge der Preis der globalen Wirtschaft und der Politik. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu, doch Žižek mixt sie in seinem Aufruf zum neuen Klassenkampf zu einer sarkastischen Pointe: Biete den Flüchtlingen einen gemeinsamen Kampf an, da unsere Probleme heute gemeinsame Probleme sind (80)! Žižek sieht die Lücke der fehlenden radikalen Proletarier geschlossen, indem wir von außen importierte Revolutionshelfer aktivieren (88).

 

Das war es dann aber auch schon mit dem neuen Klassenkampf, denn es fehlen sowohl Vertiefung all dessen als auch nachhaltige Ratschläge. Der Wüterich Žižek wettert zwar - durchaus zurecht - gegen linksliberalen Muff, macht aber vor allem schwer nachvollziehbare Gedankensprünge und dürfte mit der Schrift kaum Massen gewinnen, da sich seine Elfenbeinturmphilosophie wie ein Furz in der Badenwanne gebärdet. Es blubbert, weil Gase entweichen.

 

Das Buch taugt nicht als Vision, durchaus aber zur Analyse: Der globale Kapitalismus brauche die westlichen kulturellen Werte nicht mehr, um reibungslos zu funktionieren (17), es geht auch ohne Tante Emma und - auch ohne TTIP - ohne lokale Befindlichkeiten, denn die Maske der kulturellen Vielfalt wird aufrecht gehalten durch die faktische Universalität des globalen Kapitals (16). Habe ich den Hinweis überlesen, dass alle Staaten der Erde die wirtschaftlichen Interessen internationaler Konzerne decken!?

 

Dass die Ausschreitungen in Ferguson keine positive utopische Dimension artikulierten (32) mag tragisch sein, doch wie Žižek die Kids dort für seinen Klassenkampf gewinnen will, bleibt unangesprochen. Im täglichen Abendgebet möge jeder Europäer diesen Zusammenhang bedenken: Der liberale Westen ist für Muslime deshalb so unerträglich, weil er Ausbeutung und Gewaltherrschaft nicht nur praktiziert, sondern diese brutale Realität wie zum Hohn als ihr genaues Gegenteil verkleidet, nämliche als Freiheit, Gleichheit und Demokratie (62). Der Westen ist, neben dem Osten, eben auch ein Fatal. Multikulturalismus wandelte sich sogar in eine Form von gesetzlich geregelter wechselweitiger Ignoranz oder von Hass (79). Dialektik scheint im Zuge der wirtschaftlichen Stringenz ihre Zweipoligkeit verloren zu haben, denn alles ist jetzt die eine Münze des Kapitals der Konzerne.

 

Und wie sollen wir nun miteinander umgehen!? Žižek empfielt statt des ewigen Weichei-Verstehenwollens in der Emphathiefalle betreffs des Anderen (der Flüchtlinge) das Einander-aus-dem-Weg gehen, die Diskretion. Entfremdung sei die Lösung! (67f). Wie wahr: In Berlin, Frankfurt und anderswo leben verschiedene Ethnien seit Jahrzehnten wunderbar erfolgreich miteinander aneinander vorbei. - Das mag aktuell den Zwangsinitiativen der Integrationsparolen wiedersprechen, doch wird sich das sicher einpendeln.

 

Und was ist nun die geniale Klassenkampfansage? Žižek reißt im letzten Kapitel "Was tun?" die Utopie der globalen Militarisierung aller gesellschaftlicher Bereiche an (76), ohne aber das Militaristische nachvollziehbar zu erläutern. Nur mal eben den Slogan der Entmachtung einer sich selbstregulierenden Wirtschaft auszurufen, ist zu wenig.

 

Mit Verlaub: Da saß Žižek neulich in seiner Datscha und dachte sich, mal wieder eine Europa-Buchreise vor Presse und TV tun zu wollen, damit das Geld im Kühlschrank nicht ausgeht. Und also: So ein nach Manifest klingender Titel wie "Der neue Klassenkampf" klingt geil. Also, hinsetzen und ein Philosophiesimulat mit Aktualitätsschock und Panikprognose tippen.

 

Wenn selbst Žižek nur noch rumschwurbelt und nicht mehr krass die Schwerter wetzt, dann scheint doch sehr viel verloren.

 

Update 20.3.

Ein spannendes Interview mit Žižek vom 30.1.2016 in der NZZ

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